Von Rudolf Linßen | EUSR 2025 Unity – Hameed sehen und hören | In Velthoven, Niederlande
Wie selbstverständlich und leicht es sein kann!

Hameed einmal sehen und hören, das war, wie der von vielen, auch mein Wunsch nach zehn Jahren Ridhwan. Etwa 450 Studenten aller Geschlechter aus Europa sowie beinahe alle ihre Lehrer und Lehrrinnen kamen in dem ehemaligen Nonnenkloster aus den 1950er Jahren in Eindhoven zusammen. Vom Tagungshotel bekam ich eine „Kamer“ und einen Plan von den Gebäuden und vielen Fluren, mit dem ich mich zurechtfand, nicht zuletzt durch die Farbmarkierungen der vielen Flure.
Wochenendretreats haben ein festes Setting, so auch hier: Infotafeln für jede der 23 Gruppen, aus denen Teilnehmer gekommen waren, die feste Tagesstruktur, die bekannte Sitzordnung im Plenum und lauter freundliche Ridhwanstudierende, zumeist englischsprechend als Zweitsprache. Dann kam Hameed auf die Bühne, setze sich und lächelte. Und ich war überrascht, wie selbstverständlich und leicht es sein kann, Student von Hameed zu sein.
Hameed will wieder kommen
Im Verlauf stellten Hameed und Karen ihre beiden Nachfolger vor, Zarina Maiwandi und Bob Ball. Als solche traten sie nun zum ersten Mal auf und gaben ein Statement. Hameed will unterdessen solange arbeiten, wie es ihm vergönnt ist und auch in zwei Jahren wieder nach Europa kommen, so seine Absicht. Die Nachfolger planen die Übergabe mit dem gesamten Leitungsteam schon heute, wollen das Teaching in einer nachhaltigen organisatorischen Struktur sichern und breit anbieten, wollen klar und koordiniert entscheiden und als letztes der fünf zentralen Ziele, „preventing unexpected splintering of school upon Hameed’s passing“, einer unerwarteten Spaltung der Schule nach Hameeds Tod verhindern.
Unity (Einheit) war das Thema in Eindhoven. Und es ist mehr ein Blick auf verschiedene Felder und Aspekte, was dort jeweils Einheit ausmacht. Hameed beginnt mit dem Ego, und gezeigt wird auf der Tagungsleinwand eine Supermanfigur, die von vielen Farbsprengsel wie Puzzleteilen zusammenhalten wird. Das Ego, eine Kollektion von Anpassungen, Reaktionen und Kompromissen. Dem gegenüber erscheint die Perle als das Eine, das Unverwechselbare, Reine.
Alles ist in mir und ich in allem
Und so ging es in den zwölf Vorträgen schrittweise weiter, zunächst zur Seele, die ja reif und auch von Diskontinuität, Gespaltensein und Schmerz erfüllt sein kann, aber schlussendlich die „union of all parts“ bildet, deren Bindemittel stets die Liebe ist, von der Zarina in ihrem Vortrag sprach.
Es gab Felder, die mir neu waren, die ich auch unübersetzt beließ wie die „Unity of Singularity“ und die „Unilocal Unity of life“. Und dann ebnete auch eine Geste das Verstehen: Hameed faltete ein Blatt Papier immer kleiner zusammen, bis ein kleiner Haufen zwischen Daumen und Zeigefinger entstand, hielt es hoch und sagte: Alles ist hier. „Everything is in me and everything is me.“

Ich will mir nicht einbilden, das letzte „Turning“ verstanden zu haben, das fünfte, aber Hameeds mehrfache Verdeutlichung blieb doch handfest in Erinnerung: Er klopfte immer wieder laut hörbar auf die Holzlehne seines Sessels und sagte, jenseits der Einheit und unabhängig von unserer Wahrnehmung, „this is a chair.“ Mir erzählt das Klopfen, dass die Dinge sind wie sie sind, ganz unabhängig von mir.

Und dann ging es wieder in die Mittagspause, in den äußerst großen fensterlosen, mit schwarzen Vorhängen eingekleideten Speisesaal und seiner stetigen Dinner-Atmosphäre. „High, I’m Seth“, sagte ein freundlicher Mann und setze sich neben mich. Anders als alle Lehrer und die Leitung mischte sich der Executive Director Seth Shapiro unter die Teilnehmenden, wanderte in dieser Woche von Tisch zu Tisch, zu immer neuen Kombinationen, Themen und Meinungen. Ein vergnügliches Mittagsgespräch.
Und mittendrin das Community Meeting
Im Community Meeting erläutert Zarina Maiwandi das neue und nächste Teacher Training für erfahrene Teilnehmer ab Jahrgang 1975, das Zarina leitet und bald startet. Gesucht werden erfahrene Studierende, die in diesem kürzeren Programm zu Einzelstundenlehrern ausgebildet werden sollen. Dazu gab es aus dem deutschen Feld kritische Nachfragen und auch Enttäuschung, ja sogar so etwas wie Argwohn gegen eine zu schnelle „fast food“-Ausbildung. Zarina meinte, es wird viele Tränen geben bei den Älteren, die ausgebildet und ordiniert werden wollen. Derzeit ist das Verhältnis Lehrer/Studenten in Europa aber mit 1 zu 19 bestens ausgeglichen.

Hameed einmal sehen und hören, war mir ein Vergnügen. Es hat mir wirklich Spaß gemacht. Habe ich nun „an der Quelle“ mehr Inspiration erfahren? Ja, insofern Hameed der beste Interpret von Hameed ist. Nein, weil sich Inspiration in mir entfaltet, nicht zu Füßen des Meisters, und weil der Zündfunke, jener Moment der Ergriffenheit, sich einstellt, wenn authentische Menschen sich begegnen im Großen wie im Allerkleinsten, auf der Bühne wie im hinteren Flur, im Plenum wie in der Mittagspause draußen, etwa beim Boulespiel, zu dem ein paar Zweiradler zusammenfanden und Spaß haben.
Rudolf Linßen
